Chronik

Alte Backhäuser

Gemeindebackhäuser in der Grafschaft
Von Ottmar Prothmann / Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1996

Verbreitung der Dorfbackhäuser

Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war das Brotbacken eine der wichtigsten Arbeiten im Rahmen der bäuerlichen Selbstversorgung. In der Regel geschah dies in den hauseigenen Backöfen, doch besonders in der Vulkaneifel und im Ahrgebiet waren öffentliche Backhäuser weit verbreitet.1) Nördlich der unteren Ahr reichte die übergangszone bis in den Bereich der heutigen Stadt Remagen, wo in den 1820er Jahren für Bandorf, Oberwinter, Gedingen und Unkelbach Dorfbackhäuser nachzuweisen sind2) und gleichfalls bis in die Gemeinde Grafschaft, wo in Bengen, Karweiler und Lantershofen Gemeinschaftsbacköfen vorhanden waren. Von den übrigen Orten der Grafschaft läßt sich aufgrund der lückenhaften dörflichen Quellen nur noch für Eckendorf ein solches Gemeinschaftsbackhaus nachweisen, das allerdings schon vor 1706 abgebrochen wurde. Es befand sich auf einem Platz an der Von-der-Leyen-Straße/ Ecke Schulstraße, wo heute die Reste des alten Fachwerkgehöfts Butz stehen.3)

Sichere Auskunft erhalten wir aus dem Jahre 1811, als ausdrücklich festgestelltwurde, daß in der oberen Grafschaft, in den Dörfern Eckendorf, Esch, Gelsdorf, Holzweiler und Vettelhoven, keine öffentlichen Backöfen bestünden.4) Für die ganze Grafschaft wird 1857 berichtet, daß es unter allen Dörfern nur in Bengen, Karweiler und Lantershofen Gemeindebackhäuser gebe.5) Und dabei blieb es auch die folgenden einhundert Jahre. Die drei genannten Orte behielten ihre gemeinschaftliche Backtradition, und die Bewohner der übrigen Dörfer backten weiterhin in privaten Backöfen. Ein Versuch des Gemeinderats, im Jahre 1915 in Oeverich ein Dorfbackhaus zu errichten,6) scheiterte wohl am mangelnden Interesse. Sicher als Folge dieses fehlgeschlagenen Bemühens wurden in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bis 1926 in Oeverich die letzten fünf neuen Backöfen in den Häusern eingerichtet.7)

Vor- und Nachteile der Dorfbackhäuser

Warum gab es solche gemeinschaftlichen Backhäuser nicht auch in den übrigen Dörfern der Grafschaft? Die Baukosten eines solchen Gebäudes waren geringer als für eine Vielzahl von privaten Backöfen. Das gleiche galt für die Betriebskosten. Da ein Dorfbackhaus während der ganzen Woche betrieben wurde, sparte man Zeit und Brennmaterial, indem man die Wärme des Vorgängers noch nutzen konnte. Diesen wirtschaftlichen Vorteilen standen aber auch Nachteile gegenüber. Man konnte nur zu einer bestimmten Zeit backen, die in der Regel vorher durch das Los bestimmt war. Oft paßte dieser Zeitpunkt nicht in den eigenen betrieblichen Arbeitsablauf. Außerdem mußte man den Teig zum Backhaus bringen und die Backwaren von dort nach Hause transportieren. Entscheidend für die Ablehnung des gemeinschaftlichen Bakkens dürtte jedoch gewesen sein, daß man von anderen Dortbewohnern abhängig war und auf sie Rücksicht nehmen mußte. Dieses Aufeinan-derangewiesensein galt in den früheren Dortgemeinschaften für viele Bereiche. Wenn heute diese Notgemeinschaft manchmal in der Erinnerung verklärt wird, so ist doch nachzuweisen, daß es ein Hauptbestreben der Menschen war, sich aus diesen Zwängen zu lösen. Bezüglich des gemeinschaftlichen Backens bedeutete dies, daß selbst in den drei genannten Dörfern eine Reihe von Familien eigene Backöfen besaßen. Die übersicht aus dem Jahre 1901 zeigt das deutlich. In Bengen, wo die Backgemeinschaft anscheinend noch am besten funktionierte, hatte damals jedoch schon etwa jeder siebente einen privaten Backofen, während es in Karweiler und Lantershofen sogar doppelt so viele waren.

Bäckereien und Backöfen in der Bürgermeisterei Gelsdorf, 190110):
Gemeinde Bäckereien Hausbacköfen Gemeinde-
backhäuser.
Wohnhäuser
(1905)
Wohnhäuser
pro Backofen
Bengen 10 1 75 7,5
Birresdorf 2 24 56 2,3
Eckendorf 1 14 59 4,2
Gelsdorf 2 65 145 2,2
Holzweiler (mit Nieder- und Oberesch) 1 83 94 1,1
Kalenborn 1 16 61 3,8
Karweiler 7 1 33 4,7
Lantershofen 1 19 1 71 3,7
Leimersdorf (mit Niederich und Oeverich) 3 47 98 2,1
Nierendorf 23 66 2,9
Ringen (mit Beller und Böllingen) 2 53 144 2,7
Vettelhoven 1 29 57 2.0
Bürgermeisterei 14 390 3 959 3,3

Wer in den Dörfern ohne Gemeindebackhäuser keinen eigenen Backofen besaß, war auf das Wohlwollen eines Nachbarn angewiesen, der seinen Backofen mitbenutzen ließ. Was sicher oft unangenehmer als das Backen im Gemeinschaftsbackhaus war. Daß unter diesen Umständen nicht weitere Dorfbackhäuser errichtet wurden, lag sicherlich daran, daß die einflußreichen Bauern des Dorfes eigene Backöfen besaßen und nicht daran interessiert waren. Vergleichbar lagen die Probleme bei der Wasserversorgung, weshalb in einer Reihe von Dörfern der Grafschaft erst im Jahre 1957 eine gemeinschaftliche Wasserversorgung eingeführt wurde.

Zwar gab es im Jahre 1901 bereits 14 Bäcker in der Bürgermeisterei, doch konnten gerade die ärmeren – und das waren in der Regel diejenigen ohne eigenen Backofen – es sich überhaupt nicht leisten, ihr tägliches Brot beim Bäcker zu kaufen. Dieser Berufsstand hatte im vorigen Jahrhundert infolge des gestiegenen Wohlstandes erheblich zugenommen, denn im Jahre 1822 zählte man nur drei Bäcker.8) Von diesen war immer einer in Gelsdorf, dem größten Dorf der Bürgermeisterei, wo schon 1434 ein Bäcker belegt ist. Weitere Nachweise von 1588, 1604 und 18109) deuten auf eine stetige Anwesenheit jenes Berufsstandes in diesem Dorf.

Gemeindebackhaus in Bengen

Von den drei Gemeindebackhäusern Bengen, Karweiler und Lantershofen liegt die älteste Nachricht über das Gemeindebackhaus in Bengen vor. Im Jahre 1750 unterrichtete ein Lehrer die Schulkinder in einem Raum über dem Backofen11). Daraus läßt sich schließen, daß Schule und Gemeindebackhaus in einem einzigen Gebäude untergebracht waren. Eine solche kostensparende Verbindung war keine Seltenheit, wie Beispiele aus der Umgebung zeigen. In Bodendorf wurde ein solches Gebäude 1741 erbaut12) und in Löhndorf 1763. Noch älter ist das Back- und Schulhaus von Bachern, das angeblich 1650 errichtet wurde13) und heute noch in der Mitte des Dorfes steht. Der Schulraum im Obergeschoß wird jetzt als Dorfmuseum genutzt.

Das Bengener Schul- und Backhaus dürfte mit dem Dorfbrand am 26. Februar 1786 untergegangen sein, da nach einer Aufzeichnung des damaligen Pastors alle Gebäude mit Ausnahme der Kirche und sieben Häusern ein Opfer der Flammen wurden.14) Wenn unter den erhaltenen Gebäuden das Schul- und Backhaus gewesen wäre, hätte er es sicher erwähnt. Diese Vermutung wird durch eine Nachricht vom Dezember 1798 bestätigt. Die Gemeinde bot damals einem neuen Lehrer die Schule folgendermaßen an: Die Schulstube mit zwei Nebenzimmern wie auch einem „aparten Ofen“ für Frau und Kinder und einem Garten an der Schule.15) 1830 wird die Schule genauso beschrieben, jetzt aber genauer als ein einstöckiges Fachwerkgebäude mit einem Schulsaal und einigen ganz unbrauchbaren Winkeln. Was jetzt als unbrauchbare Winkel bezeichnet wurde, diente 1798 noch als Wohnung des Lehrers. Jetzt aber wohnte der Lehrer in einem anderen Haus.16) In diesem Jahr 1830 tauschte die Gemeinde dieses nicht mehr ausreichende Schulhaus gegen ein geräumigeres Gebäude ein.17) Wo in all den Jahren das Gemeindebackhaus lag, bleibt ungewiß. Erst als man 1885 das alte Gemeindebackhaus an der Straßenbiegung, wo Gimmi-ger Straße und Lindenstraße aneinanderstoßen, abbrach, erfahren wir, daß dieses einstökkige Gebäude mit einer Grundfläche von 8,40 Meter mal 5,50 Meter und einer Höhe von 3,80 Meter früher die Schule gewesen sei. Als Backhaus kann es demnach also erst nach 1830 gedient haben, als die Schule hier ausgezogen war. Im Jahre 1869 wurde es bereits als „Bakkes“ gebraucht, denn damals verwahrte die Gemeinde die gerade erworbene vierrädrige Feuerspritze und Löschgeräte im Backhaus, da man noch kein Spritzenhaus besaß. Später, nach dem Bau eines solchen Hauses, lagerte der Lehrer im Vorderraum des Backhauses Futter für das Vieh und Kohlen für den Hausbrand.18)

Im Jahre 1876 erwog man aus Gründen der Feuersgefahr ein neues Backhaus an einer anderen Stelle zu errichten. Der unmittelbar angrenzende Ackerer Peter Hörn hatte sich nämlich beschwert, daß manche Leute die Strohwische, mit denen die glühende Asche aus dem Ofen gekehrt wurde, immer wieder an die Fachwerkwand seines Hauses lehnten. Zweimal waren solche Strohwische schon in Brand geraten, da sie noch glühende Funken enthalten hatten. Die Angst vor einem Brand war durchaus berechtigt, da durch Backhäuser immer wieder Brände entstanden. So waren im Oktober 1571 in Bodendorf durch ein nachts entstandenes Feuer im Gemeindebackhaus mehrere Gehöfte völlig niedergebrannt.19) In Bengen war der Sinn für Brandverhütung trotz der gerade erst drei Generationen zurückliegenden großen Brandkatastrophe offensichtlich noch nicht geschärft. Eine Feuerspritze hatte man erst 1869 angeschafft, nachdem es wieder einmal gebrannt hatte und nur durch die Spritzen der Nachbardörfer das Feuer auf eine Gebäude beschränkt werden konnte. So sah man auch jetzt die Brandgefahr als nicht so schwerwiegend an. Als einzige Vorsichtsmaßnahme wurde durch eine Bekanntmachung des Bürgermeisters angedroht, das Backhaus unverzüglich zu schließen, sollte noch einmal jemand so unvorsichtig mit den Strohwischen umgehen. Mit dem Neubau des Gebäudes wollte der Gemeinderat jedoch noch zwei Jahre warten, da dann der Backofen ohnehin erneuert werden müßte. Zehn Jahre geschah nun nichts mehr. Als 1885 das Gebäude schließlich so schadhaft geworden war, daß ein Neubau sich nicht mehr aufschieben ließ, entschied der Gemeinderat, trotz aller Bedenken der Hausnachbarn Hörn und Sonntag, ihn auf der alten Stelle auszuführen, weil unter der Bevölkerung ein starkes Interesse bestünde, dieses für alle so wichtige Gebäude genau in der Mitte des Dorfes zu belassen. Ein anderes geeignetes Grundstück stünde dort aber nicht zur Verfügung. Maurermeister Engelbert Schmilz aus Eckendorf, der ein Jahr zuvor das heute noch genutzte Rathaus errichtet hatte, erbaute noch im Jahre 1885 das neue Backhaus aus Feldbrandziegeln. Mit den Maßen 8,67 x 3,32 Meter (Firsthöhe etwa 4 Meter) war es um zwei Meter schmäler als das alte, denn ein Argument gegen diesen Standort war auch die Verkehrsgefährdung, da das Gebäude in der unübersichtlichen Kurve weit in den Straßenraum hineinragte. Obschon durch den kleineren Neubau die Situation etwas entschärft wurde, war doch genau dies der Grund, der 80 Jahre später zum Abbruch führte.

Gemeindebackhaus in Karweiler

Im Nachbardorf Karweiler scheint es wegen des Gemeindebackhauses nichtzu solchen Schwierigkeiten wie in Bengen gekommen zu sein, zumindest schweigen die Quellen darüber. Das kleine Gebäude mit einer Grundfläche von 27 Quadratmetern stand 1827 genau an derselben Stelle an der Ecke von Ringener Straße und Weierstraße (Parzelle 448), wo es sich noch zuletzt befand.20) Im Jähre 1856 wurde es in den gleichen Ausmaßen wie vorher für hundert Taler neuerbaut.21) Der Backofen selbst, der durch täglichen Gebrauch in regelmäßigen Zeitabständen ausgewechselt werden mußte, wurde nach Oktober 1910 und zuletzt im Jahre 1931 erneuert.

Gemeindebackhaus in Lantershofen

Das mit 42 Quadratmetern erheblich größere LantershofenerGemeindebackhaus stand ebenfalls in der Mitte des Dorfes, und zwar an der Karweilerstraße in unmittelbarer Nachbarschaft von Schule und Kapelle. Es war, außer dem Backofen selbst, ganz aus Eichenfachwerk errichtet, maß in der Länge 8,90 Meter, in der Breite 4,70 Meter und besaß eine Firsthöhe von 4,80 Meter. Die Raumhöhe in beiden Arbeitsräumen war, wie in allen Fachwerkhäusern, mit 2,10 Meter nicht sehr hoch. über die Erbauung liegen keine Nachrichten vor, wohl aber über den alle paar Jahrzehnte erforderlichen Austausch des Backofens. Im Herbst 1823 wurde dazu der Backofenbauer Peter Mauermann aus Bell verpflichtet. Er war einer jener Spezialisten aus der Gegend um den Laacher See, die im Ofenbau jahrhundertelange Erfahrungen besaßen. Derdort gebrochene Tuffstein wurde steinmetzmäßig so bearbeitet, daß die Steine ohne Bindemittel zum Backofen zusammengefügt werden konnten. Diese öfen zeichneten sich durch lange Lebensdauer und eine für die Wärmehaltung wichtige Dichtigkeit aus.

Im Herbst 1860 war der Backofen erneut unbrauchbar geworden, weil ein Teil des Gewölbes sich gesenkt hatte. Dieses Mal brachte der Backofenbauer Sebastian Müller aus Rech den Schaden wieder in Ordnung.22) Als der Ofen schließlich nach 47 Jahren nicht mehr zu reparieren war, beschloß im Mai 1870 der Gemeinderat, den neuen Ofen so groß bauen zu lassen, daß in ihm Brot von vier Sester Korn (160 Pfund) zugleich gebacken werden konnte.

40 Jahre später, im Jahre 1909, war nicht nur der Ofen wieder erneuerungsbedürftig, sondern auch das ganze Backhaus in sehr schlechtem Zustand. Kurz zuvor hatte schon der Ortsvorsteher die Ziegeleindeckung auf einer Seite in „häßlicher Weise“ durch Wellblech ersetzen lassen. Obwohl Abbruch und Neubau die beste Lösung gewesen wäre, konnte sich der Gemeinderat nicht dazu durchringen, da man zur Zeit mit dem Schulhausneubau finanziell sehr belastet war. Später überlegte man, ob das Backhaus nicht in die alte freiwerdende Schule an der Kapelle verlegt werden könne, ließ diesen Plan aber wieder fallen und führte 1911 eine umfangreiche Instandsetzung des Backhauses durch, wobei auch der Ofen neu aufgesetzt wurde.

Die Backhausordnung

Wie das Backen in diesen Gemeindebacköfen geschah, hat Werner Keller im Heimatjahrbuch 1986 aus seiner Erinnerung am Beispiel Bengen anschaulich geschildert. Ohne das dort Gesagte zu wiederholen, sollen hier noch einige Einzelheiten darüber mitgeteilt werden, wie die drei Dorfgemeinschaften das gemeinsame Bakken organisierten. Wiederum liegen auch hier von Bengen die meisten Nachrichten vor. Dort wurde im Jahre 1907 die wohl schon sehr alte Backhausordnung neu gefaßt und schriftlich niedergelegt. Nach dieser Ordnung stand das Backhaus jedem Bengener Bürger offen. Es durfte an allen Werktagen genutzt werden, wobei jeweils vier Bürger pro Tag nacheinander in der Zeit von 6 bis 22 Uhr backen konnten. Jedem standen also vier Stunden zur Verfügung. Ausnahmsweise konnte der für die Aufsicht und Ordnung im Backhaus zuständige Backhausmeister noch ein fünftes Gebäck zulassen. Die Reihenfolge wurde an jedem Sonntagmittag vom Backhausmeister unter den anwesenden Interessenten durch das Los bestimmt und auf der Tafel im Backhaus aufgeschrieben. Wer als erster und zweiter am Montagmorgen backen mußte, erhielt für die Zeit vom 1. November bis 1. April eine Entschädigung von 20 bzw. 10 Pfennig, da der Backofen am Wochenende erkaltet war und einen höheren Brandbedarf zum Aufheizen erforderte. Im Walporzheimer Backes konnte man allerdings, zumindest nach dem von 1831-1921 geführten „Backesbuch“, sogar sonntags backen23). Brennmaterial in Form von „Schanzen“ (Reisigbündeln) mußte jeder selbst mitbringen. Die Asche verblieb der Gemeinde und wurde als Dünger verkauft. Der letzte im Jahre 1926 eingebaute Backofen24) faßte 40 bis 45 Brote. In der Regel backten die Familien alle 14 Tage, manche auch jede Woche.25)

Hochbetrieb herrschte an den Tagen vor der Kirmes, wenn die „Appeltaate“, „Prommetaate“ und „Streukooche“ gebacken wurden. Deshalb begann ab Mittwochnachmittag zwei Uhr vor diesem absoluten Höhepunkt des Jahres ein besonderer Turnus, währenddessen Tag und Nacht gebacken wurde. Dabei bestimmte der „Backesmeister“, wieviel Zeit jedem Backwilligen für sein Kirmesgebäck zur Verfügung stand. Den Anordnungen des Backhausmeisters hatte jeder Bürger zu folgen. Bei Zuwiderhandlungen konnte man vom Gemeinderat bis zu einem Jahr vom Backen ausgeschlossen werden. Der Backhausmeister, den es nur in Bengen gab, während in Karweiler und Lantershofen der Gemeindevorsteher diese Aufgaben übernahm, wurde vom Gemeinderat bestimmt und erhielt eine jährliche Zuwendung von drei Mark aus der Gemeindekasse und das Recht zugesprochen, immerzu backen, wenn es ihm beliebte. Seine Aufgabe bestand darin, im Backhaus für Ordnung zu sorgen, am Sonntag die Verlosung vorzunehmen und am Samstag nach dem letzten Gebäck das Backhaus gründlich zu reinigen. Im Jahre 1907 bekleidete Theodor Münch dieses Amt und übte gleichzeitig auch den Nachtwächterdienst aus.

Für Karweiler hat sich eine Backhausordnung nicht erhalten, doch ist durch mündliche überlieferung bekannt, daß der Ablauf hier ganz ähnlich wie in Bengen war.26)

In Lantershofen war das Backen über lange Zeit offenbar nicht so streng wie in Bengen geregelt. Infolgedessen kam es im Jahre 1860 zu Unstimmigkeiten. Am 4. September jenes Jahres, kurz vor der Lantershofener Kirmes, beschwerte sich jemand beim Bürgermeister darüber, daß die Wirte und besonders Krupp die Tage vor der Kirmes das Backhaus in Beschlag nähmen, um Backwaren zum Verkauf zu backen. Krupp nehme gewöhnlich den ganzen Freitag für sich allein in Anspruch. Er hätte zwar auch ein eigenes Backhaus, benutze es aber nicht. Dabei seien gerade die drei Tage vor der Kirmes für das Backen der Wecken seit alters vorgesehen. Die anderen Bewohner ärgerten sich zwar auch darüber, aber da halb Lantershofen miteinander verwandt sei und deshalb die einen nichts sagen wollten, die anderen aber nichts sagen dürften, geschehe nichts. Diejenigen, die einen eigenen Backofen besäßen, berühre das nicht. So treffe es also besonders die ärmeren Leute. Immerhin erreichte der Beschwerdeführer, daß sich der Gemeinderat am 16. September mit der Angelegenheit beschäftigte, doch ließ man seinen Vorstoß ins Leere laufen, indem man erklärte, das Backwesen vor der Kirmes müsse zwar neu geregelt werden, aber die Sache sei reiflich zu überlegen. Da die Kirmes aber gerade erst vorbei sei, habe man noch genügend Zeit dazu. Dabei verblieb es, zumindest liegt kein entsprechender Gemeinderatsbeschluß vor. Erst im Jahre 1912, nachdem das Backhaus gründlich instandgesetzt worden war, führte man eine neue Backordnung ein, die sich eng an der von Bengen orientierte.

In all den langen Jahren blieb das Backen für die einzelnen Familien kostenlos, bis im März 1937 alle drei Gemeinden gleichzeitig erstmals Gebühren einführten, in Karweiler 2,50 Mark pro Familie und Jahr, in Lantershofen 1,50 Mark und in Bengen zehn Pfennig für jedes Benutzen des Backhauses.27) Der Grund hierfür mag in einer änderung des Verwaltungsrechts gelegen haben, vielleicht aber auch darin begründet gewesen sein, daß die Zahl der Backhausbenutzer sich so sehr verringert hatte, daß die übrigen nicht mehr bereit waren, die Unkosten für ein Gebäude zu tragen, das sie nicht nutzten.

Die Dorfbackhäuser als Treffpunkte

Bei den bisherigen Betrachtungen überdie Funktion der Gemeindebackhäuser ist ein Gesichtspunkt noch nicht berücksichtigt worden, der aber nicht fehlen darf, will man die Bedeutung dieser Einrichtung für die Dorfgemeinschaft bewerten. Sie waren nämlich, ähnlich wie die Gastwirtschaften, auch Kommunikationszentren, in denen sich Erwachsene und Jugendliche trafen. Hier wurden Alltagsprobleme besprochen und Neuigkeiten verbreitet, hier hörte man den neuesten Dorfklatsch, hier wurden Geschichten geboren und erzählt. Das Karweiler „Backes“ soll im Winter oft so sehr mit Menschen, die sich hier aufwärmten und schwatzten, angefüllt gewesen sein, daß derjenige, der backen wollte, kaum genügend Platz fand.28) In Bengen galt das Backhaus abends als beliebter Treffpunkt der männlichen Jugend. Nach der Backhausordnung von 1907 war geregelt, daß der letzte Backvorgang aus sittlichen und moralischen Gründen um 22 Uhr beendet sein sollte, da man befürchtete, es würden dort von den Jugendlichen „allerhand Frechheiten gemacht und beraten“, nicht ganz zu Unrecht, denn immer wieder schlugen die Jugendlichen in ihrer Unbekümmertheit über die Stränge. Von Pastor Frings, der von 1908 bis 1829 Pfarrer von Bengen war, wird erzählt, er sei gelegentlich, wenn der Lärm allzulaut anschwoll, aus seinem gegenüberliegenden Pfarrhaus gekommen und habe an der Tür „gerappelt“.29) Ein heute noch bekanntes Lied der Bengener Junggesellen erinnert an dieses ausgelassene Treiben:

“ Mir loochen am Bengene Backes
on hatten die Scheeß su voll.
En dam Backes doo backten die Bruude
on mir hatten da Aasch voll Ruude,
ahoi, Bengene Backes, ahoi…“30)

Das Ende der Dorfbackhäuser

In den 50er und 60er Jahren, als das „Wirtschaftswunder“ den Menschen von Jahr zu Jahr größeren Wohlstand brachte und das dörfliche Leben sich schnell zu wandeln begann, hörte in den Dörfern der Grafschaft und wohl auch im übrigen Kreis Ahrweiler das Selbstbacken von Brot auf. Statt des mühevollen und zeitaufwendigen Backens konnte man es sich nun leisten, sein Brot beim Bäcker zu kaufen. Die privaten und gemeinschaftlichen Backöfen verfielen und wurden zum großen Teil abgebrochen.31)

In Karweiler wurde das Backhaus im Februar 1959 schon nicht mehr benutzt, und als der Rat am 6. August 1965 den Ausbau der dortigen Straße beschloß, stand es bereits nicht mehr.32) Etwa zur gleichen Zeit kam auch das Ende für das Bengener Backhaus, das 1962 noch genutzt wurde, als man aus Gründen der Verkehrssicherheit seine Beseitigung forderte. Inzwischen begannen Traktoren und Autos die langsamen Pferde- und Ochsengespanne immer mehr aus dem Straßenbild zu verdrängen. überall bemühte man sich, „glatte“ Ortsdurchfahrten zu schaffen. In die Straße hineinragende Gebäude wurden beseitigt, um den schnellen Verkehrsfluß nicht zu hemmen. Aus diesem Grund mußte nicht nur das Dorfbackhaus von Bengen weichen, sondern auch die Backhäuser von Löhndorf und Gimmigen.33) In Bengen erledigten vier Männer mit Hilfe von Hämmern, Spitzhacken, Schaufeln und zwei Traktoren die Arbeit an einem Tag. Die Ziegelsteine fuhr man zum großen Teil in ausgefahrene Feldwege, und die schweren eichenen Mulden dienten der Schule als Brennmaterial.34)

Zuletzt stand noch das mit Abstand älteste Grafschafter Gemeindebackhaus in Lantersho-fen, bis am 21. Oktober 1966 der dortige Gemeinderat entscheid, das Gebäude im Zuge des bevorstehenden Kirchenneubaus niederzulegen. Daß die Backhäuser abgebrochen wurden und damit altes bäuerliches Kulturgut verschwand, bedauerte man in der nüchtern denkenden Bevölkerung kaum. Warum sollte man sie auch erhalten, da sie nicht mehr gebraucht wurden. Wiederbelebung der Tradition Zwei Jahrzehnte vergingen, als das Interesse am gemeinsamen Backen in verschiedenen Orten wieder erwachte. Die Erinnerung an dieses Gemeinschaftserlebnis war noch nicht verblaßt und noch dachte man gerne daran, wie ein appetitlicher Duft das Dorf durchzogen hatte, wenn fertige Backwaren nach Hause getragen oder mit der Schürreskarre gefahren worden waren. Aus diesen nostalgischen Gefühlen heraus lebte das gemeinschaftliche Backen wieder auf. Lange vor den anderen beschloß im Jahre 1974 die Bürgergesellschaft von Gimmigen, die dem Spitznamen des Dorfes „Gimmiger Bak-keslämpchen“ wieder Geltung verschaffen wollte, das alte Feuerwehrhaus in ein „Backes“ umzuwandeln, nachdem das frühere Backhaus schon lange abgebrochen worden war.35) 1982 wurden dann in Heppingen,36) 1985 in Kirchdaun37) und 1986 in Heimersheim Backvereine gegründet.38) In der Ahrweiler Oberhut feiert man seit 1980,39) in Ehiingen seit 1984 alljährlich ein Backesfest.40) Später erst folgte Bachern, wo 1992 nach rund SOjähriger Unterbrechung wieder Brote im Dortbackhaus gebacken wurden.41) Doch dieses nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, sondern als Folklore wiederentstandene gemeinschaftliche Backen kam für die Grafschafter Backhäuser zu spät. Sie waren verschwunden und leben seither nur noch in der Erinnerung. Gemeinschaftliches Backen als besonderes Erlebnis wird in Lantershofen nur einmal jährlich betrieben, wenn die Junggesellen in einem privaten Backofen die traditionellen Maubichkuchen backen.

Anmerkungen:

  1. Adam Wrede. Eifeler Volkskunde 2 Aufl. Bonn 1960, S. 92 – Brotbacken im Gemeindebackhaus, 40 Jahre Backhaus und Schule aus Löhndorf, Heft 2.4. des Rheinischen Freilichtmuseums Kommern, 1987.
  2. Kreisarchiv Ahrweiler, Abt. 1. Nr. 132
  3. Peter Hammerschlag, Urkundliches und Mündliches über Eckendorf und seine nähere Umgebung, Manuskript Koblenz 1936, S, 86 und Nachtrag S. 5
  4. Gemeindearchiv Grafschaft, Akte 27/1.
  5. Als Quelle für die folgenden Ausführungen diente, soweit nicht andere Quellen genannt sind. die Akte „Gemeindebackhäuser 1843-1949“ im Gemeindearchiv Grafschaft, Nr 69/19.
  6. Gemeindearchiv Grafschaft Beschlußbuch des Gemeinderats Leimersdort, 1846-1919, Beschluß vom 03.02 1915.
  7. Ottmar Prothmann, Landleben in der Voreifel, Oeverich um 1910, Köln 1982. S. 75.
  8. Gemeindearchiv Grafschaft, Akte 27/7.
  9. Rheinischer Städteatlas, Lieferung IX, Nr. 49/1989, Gelsdorf, bearbeitet von Peter Neu, S. 8,
  10. Gemeindearchiv Grafschaft, Akte 28/13. Als Ergänzung die Wohnhäuser 1905 (Landeshauptarchiv Koblenz. Best. Di, Nr 24, S. 8-11).
  11. Werner Keller, Et Backes. Vom dörflichen Backen in früherer Zeit, in: Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1986, S 155-157, hier S. 155. ohne Quellenbeleg.
  12. Karl-August Seel. Die Geschichte Bodendorfs von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert, in; Jürgen Haffke und Bernhard Kol (Hrsg.), Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute, Sinzig 1983, S. 412
  13. Moderne Inschrift auf dem Türsturz,
  14. Pfarrchronik von Bengen – Johannes Krudewig, übersicht über den Inhalt der kleineren Archive der Rheinprovinz. Bd. 5. Bonn 1916, S. 79.
  15. Gemeindearchiv Grafschart, Akte 144/1.
  16. Lahdeshauptarchiv Koblenz, Best. 441. Nr. 26520.
  17. Gemeindearchiv Grafschart. Akte 144/4.
  18. Ebd., Akten 69/19 und 144/4.
  19. Landeshauptarchiv Koblenz. Best. 53 C 25, Nr. 3035. Bl. 23.
  20. Gemeindearchiv Grafschaft, Akte 115/4.
  21. Ebd.. Beschlußbuch des Gemeinderats Karweiler, 1846-1925, Beschluß vom 29.08.1856,
  22. Ebd.. Beschlußbuch des Gemeinderats Lantershofen, 1846-1878, fol. 84.
  23. Rhein-Zeitung Nr. 17 vom 21.01.1982.
  24. Keller, a.a.O.. S. 155.
  25. Mündliche Auskunft von Matthias Hommes, Bengen 1985.
  26. Mündliche Auskunft Peter und Hedwig Schopp. Karweiler 1985.
  27. Gemeindearchiv Grafschaft, Beschlußbücher der drei genannten Gemeinden mit Beschlüssen vom 15.03.1937.
  28. Wie Anm. 26.
  29. Wie Anm. 25
  30. Mündliche Auskunft von Margarethe Münch und Norbert Hoffzimmer, Bengen 1995. Melodie nach denn Matrosenlied ..Wir lagen vor Madagaskar“.
  31. Als Beispiele seien genannt: Dorfbackhaus Bandorf 1953 abgebrochen (Rhein-Zeitung Nr. 5 vom 07.01,1986), Waiporzheim 1853/54 niedergelegt, das Backen im neuen Ofen hörte in den 60er Jahren auf (Rhein-Zeitung Nr 17 vom21.01.1982). In Koisdorf beschloß der Gemeinderat 1963 den Abbruch des Gemeindebackhauses (Koisdorf im Wandel der Zeit 1192-1992, Koisdorf 1992, S. 125).
  32. Gemeindearchiv Grafschaft, Beschlußbuch des Gemeinderates von Karweiler 1925-1974, Beschlüsse unter den beiden genannten Daten.
  33. Bengen: Rhein-Zeitung Nr 148 vom 29 06.1962. Löhndorf: Rhein-Zeitung: 4./05.08.1973. Gimmigen: Rhein-Zeitung 05.11.1974.
  34. Schulchronik Bengen 1945-1974
  35. Rhein-Zeitung 05.11.1974.
  36. Bonner Rundschau Nr. l vom 03.01.1983.
  37. General-Anzeiger 26.06.1985.
  38. Rhein-Zeitung Nr. 84 vom 11.04.1986.
  39. General-Anzeiger 03.09.1984.
  40. Rhein-Zeitung Nr. 161 vom 16.07.1985. Rhein-Ahr-Rundschau Nr. 101 vom 01,05 1987.
  41. Rhein-Ahr-Rundschau Nr. 170 vom 24.07.1992.